Gendergerecht – muss das sein?

In weiten Teilen der Bevölkerung wird Gendergerechte Sprache immer noch als überflüssig angesehen. Witze über die “Salzstreuerin” sind salonfähig und mit einem kleinen Hinweis, dass “… immer auch Frauen gemeint sind” und es nur um die bessere Lesbarkeit geht, scheint der Form Genüge getan.

Doch es steckt viel mehr dahinter und gerade Marketingverantwortliche, die sich an Kinder, Jugendliche und Familien wenden, sollten ihre Kommunikation sehr verantwortungsbewusst gestalten, um die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen, von Frauen und Männern zu fördern und nicht durch Stereotype überholte Rollenbilder zu verfestigen.

Zwar stehen jungen Frauen heute theoretisch alle Wege offen, sie haben die besseren Schulnoten und erreichen höhere Bildungsabschlüsse. Dennoch verdienen Frauen auch in gleichen Berufen immer noch signifikant weniger, sind deutlich seltener in Führungspositionen zu finden, arbeiten in der Familienphase überwiegend in Teilzeit und sind stärker von (Alters-)Armut bedroht – insbesondere als Mütter sind sie nach wie vor stark von ihrem Partner abhängig.

Wir wollen weder der Politik noch den Männern die Schuld in die Schuhe schieben, gesellschaftlicher Wandel braucht Zeit. Schließlich dürfen Frauen in Deutschland gerade einmal erst seit 100 Jahren wählen, verheiratete Frauen sind erst seit 50 Jahren selbst geschäftsfähig und seit gut 40 Jahren dürfen sie ohne Erlaubnis des Ehemannes arbeiten. Zum Glück klingen diese Beispiele heute wirklich antiquiert, aber es ist erschreckend, dass auch die Generation Z von sehr klassischen Rollenbildern geprägt ist:

  • Mädchen sind hübsch und fleißig, Jungs sind stark und mutig – diese Bilder werden nach wie vor von Medien, Marketing, Eltern und Schule geprägt.
  • Die Shell-Studie 2019 beschreibt, dass die 12- bis 25-Jährigen überwiegend immer noch das klassische Familienmodell mit dem Mann als (Haupt-)Versorger favorisieren.

Ja, gendergerechte Sprache muss sein – sie ist ein Baustein unter vielen, um eine gerechte Gesellschaft zu ermöglichen.

Sprache beeinflusst unser Denken!

Welche Bilder entstehen in deinem Kopf?

  • Die Feuerwehrmänner löschen das Feuer.
  • Beim Ärzte-Kongress wurden neue Therapien vorgestellt.
  • Die Erzieherinnen machen mit den Kindern einen Ausflug.

„Geschlechtergerechte Sprache klingt holpriger und umständlicher, wird länger. Sie bedeutet für viele also vor allem, Arbeit, Einsatz und Energie. So wird das Gendern oft als störend empfunden.”

Anelis Kaiser

Psychologin, Professorin für Gender Studies in Freiburg

Das Marketing ist gefragt! 

Um die Gesellschaft weiter zu verändern und nach und nach echte Gleichberechtigung zu erreichen und auch nicht-binäre Menschen (das dritte Geschlecht / divers) einzubeziehen ist Sprache ein wichtiger Baustein – hier können Marketingverantwortliche Zeichen setzen, mit gutem Beispiel vorangehen und Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg zu eigenständigen Persönlichkeiten stärken.

Nun kommt bei Menschen im (Grund-)Schulalter hinzu, dass Texte ohnehin noch nicht so schnell erfasst werden können und die Aufmerksamkeitsspanne kurz ist – da belastet Sprache, die vielleicht etwas holpriger und komplexer ist. Umso wichtiger ist es, “geschickt” zu gendern, also sich nicht mit der einfachen, aber den Lesefluss vielleicht eher störende Form von Doppelnennungen oder Sternchen und Gender Gap zurückzugreifen.

Tipps für geschicktes Gendern

Rollenstereotype

Der erste wichtige Schritt ist es, die Stereotypen aus den eigenen Köpfen zu bekommen und Geschichten zu erzählen, die alle Geschlechter gleichberechtigt einbeziehen und darstellen. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch weiterhin Themen und Produkte geben kann und soll, die nur für Mädchen sind oder eher Jungen ansprechen oder dass unterschiedliche Jugendliche über ihre unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse angesprochen werden sollen – aber es gilt, sich immer wieder bewusst zu machen:

  • gibt es handfeste Gründe, nur ein Geschlecht anzusprechen?
  • sind es wirklich männliche oder weibliche Interessen und Bedürfnisse oder stehen Charakterzüge und Eigenschaften dahinter, die wir bei Jungen/Männern oder Mädchen/Frauen verstärkt beobachten? Es gibt auch sehr sensible und menschenorientierte Jungen und sehr wettbewerbsorientierte und mutige Mädchen!
  • welche Rollenstereotype schleichen sich immer wieder ein und ist das wirklich nötig?

Testimonials und Personen richtig wählen

Sprache ist nur ein Teil – ebenso wichtig sind die Bilder, ohne die das Marketing kaum auskommt. Gerade bei jungen Menschen spielen Vorbilder und die Darstellung von Alltagssituationen eine wichtige Rolle.

Mit der Auswahl der handelnden Personen wird der Grundstein für eine Kommunikation gelegt, die alle Geschlechter gleichermaßen anspricht. Gute Möglichkeiten sind:

  • Gemischte Gruppen zeigen
    Wenn Mädchen und Jungen gemeinsam die Welt entdecken, interessante Charaktere unterschiedlichen Geschlechts geschaffen werden, Eigenschaften nicht stereotyp gezeichnet werden und Führungsrollen wechseln, entstehen Geschichten, die Jugendlichen Orientierung geben.
  • Echte Persönlichkeiten zeigen
    Insbesondere in der Pubertät spielt die Gruppenzugehörigkeit eine zentrale Rolle für Jugendliche und die Akzeptanz wird durch einen sehr einheitlichen Stil in Kleidung und Styling erreicht. Bieten Sie auch hier Orientierung durch Abweichen vom Einheitslook, aber auch ohne Mädchen als Jungen darzustellen und umgekehrt

Auf unserer Seite “Gute Sprache im Kinder- und Jugendmarketing” stellen wir ausführlich Möglichkeiten vor, wie Sprache geschlechtergerechter eingesetzt werden kann, ohne dass es störend wirkt.

Wie gendert man geschickt?

In Kurzform hier die wichtigsten Punkte:

1) Neutrale Begriffe wie Kind, Mensch oder Person im Singular oder aber Jugendliche, Auszubildende, Eltern im Plural nutzen.

2) Kreative Umformungen: Sätze anders aufbauen, um eine Doppelnennung überflüssig zu machen: “Wer Lust hat, dabei zu sein…” statt “Schülerinnen und Schüler, die …

3) Direkte Anrede: “Wenn ihr mitmachen wollt…” statt “Mädchen und Jungen, die mitmachen wollen,…”

4) Symmetrisch, korrekt und genderspezifisch, also z.B. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Macron…

5) Mutig ohne Rollenstereotype: schreiben Sie den Marketing-Testimonials gute und gleichberechtigte Rollen auf den weiblichen oder männlichen Leib.

6) Doppelnennungen, Gender-Gap oder Gendersternchen, wenn es nicht anders geht: Mädchen und Jungen, Schülerinnen und Schüler oder Schüler_innen.

Das klingt erst einmal kompliziert?

Wer sich noch nie mit dem Thema beschäftigt hat, wird anfangs vielleicht Schwierigkeiten haben und manche geschlechtergerechte Formulierung befremdlich finden. Aber ihr werdet schnell merken, dass euch Begriffe wie Teilnehmende und Lernende bald genauso flüssig über die Lippen gehen wie die inzwischen selbstverständlichen Begriffe Auszubildende oder Studierende.

Probiert es einfach aus und beginnt damit, an besonders prominenten Stellen nicht nur die männliche Form zu verwenden. Nach und nach wird es immer selbstverständlicher, geschlechtergerecht zu formulieren, und plötzlich geht es ganz leicht von der Hand. Ihr werdet auch merken, dass ihr an vielen Stellen nicht komplizierter, sondern lebendiger und frischer formuliert!

Und wenn es mal nicht klappt? Dann ist das eben so. Uns geht es nicht um dogmatischen Feminismus, sondern darum, dass wir als Erwachsene und als Marketingverantwortliche Kinder und Jugendliche unterstützen, in einer fairen Gesellschaft aufzuwachsen.

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Im Kinder & Jugend Marketing Kontor bemühen wir uns sehr stark um die gleichberechtigte Ansprache aller Geschlechter. Dennoch wissen wir auch, dass die Botschaften einfach sein müssen – da ist die explizite Ansprache non-binärer Personen schwierig, zumal dies für einen Teil der (jüngeren) Mädchen und Jungen noch unverständlich ist. Viele der oben genannten geschickten Möglichkeiten zu gendern, schließen per se alle Geschlechter ein, darum sollten diese natürlich bevorzugt genutzt werden. Aus unserer Sicht sind die Haltung der Organisation und das Gesamtbild wichtiger als politische Korrektheit an jeder Stelle.

Sicherlich finden sich auf unserer Website an verschiedenen Stellen noch Texte, die die männliche Form verwenden, aber alle Geschlechter meinen. Aber wir arbeiten daran und sind auf dem richtigen Weg!

Die britische Organisation Inspiring the Future zeigt in diesem Video deutlich, wie sehr Rollenstereotype verankert sind – und das in England, wo die Sprache deutlich geschlechtergerechter ist als bei uns.

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