Werbung folgt Jugendlichen

von | Dez 13, 2012 | Gesellschaft, Kinder- und Jugendmarketing, Werbekompetenz

DIE INTERNETNUTZUNG VERÄNDERT SICH UND NEUE KOMMUNIKATIONSFORMEN ENTSTEHEN

Jugendliche sind „always on“ und nutzen das Smartphone als Tor zur Welt. Das Nutzungsverhalten weicht von dem älterer User deutlich ab und Jugendliche sind – was Werbung angeht – ambivalent: Einerseits gehört Werbung zum Alltag und wird akzeptiert, andererseits nervt Werbung und versucht evtl. zu manipulieren. Aber was bedeutet das für die Marketing-Kommunikation? Werber greifen die Nutzertrends auf und entwickeln immer neue Werbeformen.

Dr. Johannes Knoll (Universität Wien), hat sechs Internet-Trends identifiziert, die Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer kommunikativer Möglichkeiten sind. Wir fassen seine Aussagen hier zusammen und spezifizieren sie für die Ansprache Jugendlicher.

MOBILE NUTZUNG

Das Internet wird von Jugendlichen intensiv vom Smartphone aus genutzt, wie die aktuelle JIM-Studie zeigt: 92% der 12-19-jährigen besitzen ein Smartphone und 82% surfen damit auch im Internet, hinzu kommt die Nutzung anderer webbasierter Services.

SECOND SCREEN

Fernsehen ist kaum mehr alleinige Beschäftigung bei Jugendlichen. Sie machen andere Dinge wie Hausarbeiten, Hausaufgaben und Essen nebenher, vor allem aber nutzen sie parallel das Smartphone, Laptop oder Tablet.

SOZIALE NETZWERKE

Fast drei Viertel der Jugendlichen sind in Online-Communities unterwegs: WhatsApp, Facebook und Instagram sind die wichtigsten sozialen Netzwerke für die zwölf- bis 19jährigen. Knapp zwei Drittel nutzen die Communities täglich oder mehrmals in der Woche.
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INTERAKTIVE NUTZUNG

Jugendliche nutzen ihr Smartphone und das Web interaktiv. Etwa die Hälfte spielt täglich oder mehrmals die Woche Handyspiele, Online-Spiele und Konsolenspiele folgen mit 34 bzw. 25%. Jungen sind dabei aktiver: 9 von 10 Jungen nutzen beinahe täglich digitale Spiele, aber immerhin auch 5 von 10 Mädchen. Die Begeisterung für digitale Spiele nimmt mit dem Alter leicht ab.

INDIVIDUALISIERTE UND PERSONALISIERTE NUTZUNG

Die Nutzung von Fernsehen und Webinhalten ist sehr individuell. Es gibt kaum Blockbuster-Serien oder Stars, die alle Jugendlichen begeistern. Die Vorlieben – auch für gelikte Seiten oder YouTube-Stars – sind sehr individuell und vielfältig – wie sollte es anders sein, bei dem schier unendlichen Angebot an Fernsehsendungen und täglich 65 Jahren(!) neuem Videomaterial auf YouTube.
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VERMEIDUNG VON KLASSISCHER WERBUNG

Jugendliche vermeiden klassische Werbung: Wenn Sie fern sehen, nutzen sie Werbeunterbrechungen für anderes, Pop-Ups und Banner nerven und Jugendliche suchen durch Adblocker Schutz davor. Andererseits empfinden sie nicht-störende Werbung als Teil des Alltages, freuen sich durchaus über individualisierte und gute Kommunikation und erkennen oft nicht, dass es sich z.B. in sozialen Netzwerken um Marketing-Kommunikation handelt.

MOBILE FIRST & GPS-ORTUNG

Webseiten und Inhalte, die in erster Linie junge Menschen erreichen wollen, werden für Mobiltelefone optimiert oder direkt als App angeboten: Intuitive Bedienung, Bilder und Videos, wenig Text.
Gleichzeitig werden die Geodaten des Mobiltelefons immer stärker für Marketing-Kommunikation genutzt: Über GPS, Wifi, oder die Eingabe von Nuzerdaten kann der Standort bestimmt werden und zielgenau wird Werbung ausgesteuert, z.B. für das Einzelhandelsgeschäft oder Fast-Food-Restaurant in der Nähe. Im Store selbst kann das Mobiltelefon mit Beacons kommunizieren, die noch weitergehende Infos, Sonderangebote oder Gutscheine übermitteln.

ERGÄNZENDE INHALTE IM WEB

Votings oder Chats, Tipps & Tricks, Hintergrundinfos über Kandidaten, andere Kameraperspektiven und, und, und…
Kaum ein Fernseformat, welches nicht die TV-Inhalte ins Web verlängert und dort zusätzliche Möglichkeiten zur Interaktion schafft – zeitgleich oder zeitversetzt zur Ausstrahlung im TV. Dabei werden diverse Formate genutzt: die eigene Webseite & App, Social Media-Plattformen und Hashtags, über die teilweise auch in die Live-Show zurück gespielt wird, was parallel im Web geschieht.
So kann die Interaktion junger Menschen mit den Medienformaten oder Sendungen erhöht und die Bindung gesteigert werden.

VIRALES MARKETING UND SOZIALE WERBUNG

Die Währung für Werbetreibende ist die über das Teilen generierte Reichweite in sozialen Netzwerken. Inhalte und Spots werden unter dem Aspekt der viralen Verbreitung konzipiert und Seeding-Agenturen sorgen für den ersten Anstoß, der dann optimalerweise im Netz zum Selbstläufer wird. Gewinnspiele nutzen die Mechaniken von Teilen, Liken und Posten. Facebook & Co. spielen den Nutzern werbliche Inhalte in den Newsfeed, die von Freunden geliked wurden.
Im Gegensatz zu Erwachsenen sind Jugendliche jedoch noch zurückhaltender was das Teilen angeht – sie machen sich deutlich mehr Gedanken darum, wie ihre damit verbundene Meinungsäußerung bei den Peers ankommt, wenn private, aber auch kommerzielle Inhalte geliked und geteilt werden. Gleichzeitig kann die Entdeckung viraler Inhalte aber auch dem eignenen Status dienen und die Persönlichkeit unterstreichen.

IN-GAME-ADVERTISING, GAMIFICATION, ADVERGAMES

In-Game-Advertising ist die Übersetzung klassischer Werbeformate in die digitale Spielwelt: hier können Plakate und Banden statisch oder dynamisch – also entsprechend des Nutzer-Verhaltens und seiner Interessen – belegt werden. Aber die Orientierung an der Vorliebe für digitale Spiele geht deutlich weiter: Inhalte werden spielerisch präsentiert – von der legendären Tipp-Ex-Film „The Hunter shoots a bear“ bis hin zu den aktuellen Weihnachtsaktionen von CocaCola und Milka.
Darüber hinaus werden Adgames über verschiedene Medien verbreitet – von Standardgames, die nur gebrandet sind bis hin zu individuell für Produkt, Thema oder Marke entwickelten Spielen.
Die große Herausforderung besteht immer darin, nicht nur unterhaltsam zu sein, sondern auch die Markenbotschaften zu vermitteln.

TARGETING UND INDIVIDUELL AUSGESTEUERTE KOMMUNIKATION

Die technischen Möglichkeiten, Werbung auf die Vorlieben und Bewegungen des einzelnen Users im Netz abzustimmen und individuell auszuspielen werden immer vielfältiger und sie treffen bei Jugendlichen durchaus auf Interesse: Wenn überhaupt Werbung, dann doch bitte etwas, das mich interessiert!
Unternehmen und Organisationen haben so die Möglichkeit, Streuverluste zu minimieren und Marketingbudgets zu optimieren. Aber nur in Verbindung mit relevanten Inhalten und kreativer Umsetzung wecken Sponsored Posts und Anzeigen das Interesse der Jugendlichen.

NATIVE ADVERTISING, CONTENT-MARKETING UND PRODUCT PLACEMENT

Immer stärker fügen sich kommunikative Inhalte in die natürliche Umgebung der Jugendlichen im Netz ein. Accounts von Marken oder Organisationen präsentieren sich wie private Accounts von Fussballern und Schauspielern oder den eigenen Freunden. Inhalte und Bilder im Newsfeed bei Facebook und Instagram vermischen sich zeitlich und inhaltlich – werbliche und private Inhalte werden weiter gegeben.
Marken präsentieren ganze Themenbereiche auf jugendlichen Webseiten wie bravo.de und im entsprechenden Stil der Seite. Ganze Content-Portale entstehen, in denen die betreibende Marke oft nur am Rande in Erscheinung tritt. Für Jugendliche (und Erwachsene) ist oft gar nicht erkennbar, wer die Inhalte bereitstellt und dass es sich um Marketing-Kommunikation handelt. Gleichzeitig wird aber auch nicht unbedingt eine Verbindung zur Marke hergestellt.
Product Placement findet über beliebte YouTuber statt, die Produkte in ihre Videos einfließen lassen, sie dort vorstellen und beprechen. Überwiegend machen die YouTuber deutlich, dass sie mit den Unternehmen kooperieren, gleichzeitig fügen sich werbliche Botschaften nahtlos in andere Inhalte ein.

Scheinbar sind die technischen Möglichkeiten Taktgeber für die aktuelle Marketingkommunikation. Aber auch wenn Social-Media- und auch technisches Knohow heute grundlegend für erfolgreiche Kampagnen sind, bleibt es doch ebenso wichtig, eine fundierte ganzheitliche Strategie zu entwickeln und zu verfolgen, um Marke, Produkt oder Thema langfristig erfolgreich bei jungen Menschen zu platzieren.
„Mehr Ideen, weniger Excel!“ war darum auch ein Fazit der OMCap Fachtagung 2015.